Was ist Defensive Architektur?
Defensive Architektur bezeichnet bauliche Strukturen, die gezielt an öffentlichen Plätzen installiert werden, um deren Nutzung für bestimmte Personengruppen oder Zwecke zu verhindern. Beispiele hierfür sind Metallstifte oder Noppen auf Flächen, geschwungene oder unebene Bereiche wie mit Steinen bedeckte Böden sowie Zäune, Barrieren oder Stadtmöbel, die einen längeren Aufenthalt erschweren. Insbesondere Bänke zeigen vielfältige Formen solcher Maßnahmen, etwa durch Armlehnen, die das Liegen verhindern, oder die Verwendung von kalten Materialien wie Metall oder Stein. Auch akustische Maßnahmen, wie die dauerhafte Beschallung mit Musik in Bahnhöfen, zählen dazu. Die Debatte um Defensive Architektur bewegt sich zwischen dem Schutz öffentlicher Räume und der Kritik an der Ausgrenzung marginalisierter Gruppen wie obdachlosen Menschen. Sie wird oft mit dem Sicherheitsgefühl der Allgemeinheit gerechtfertigt, beeinträchtigt jedoch auch andere Menschen, etwa Ältere oder Erkrankte, die Sitzgelegenheiten nicht nutzen können.
Darüber hinaus löst Defensive Architektur das eigentliche Problem nicht: den Mangel an sicheren und sozialen Räumen für marginalisierte Gruppen. Stattdessen werden diese Gruppen lediglich verdrängt.
Defensive Architektur kartieren und sichtbar machen
Dieses Projekt hat das Ziel, solche Elemente systematisch zu erfassen und eine Diskussion über ihre sozialen Auswirkungen anzustoßen. Mithilfe eines interaktiven, crowd-basierten Mapping-Tools können Bürger*innen städtische Barrieren, wie unbequeme Sitzgelegenheiten oder Absperrungen, dokumentieren und analysieren. Ziel ist es, diese Eingriffe sichtbar zu machen, ihre Auswirkungen zu verstehen und sozial gerechtere Gestaltungslösungen zu entwickeln. Das Projekt schafft Bewusstsein für Barrieren, die das soziale Miteinander sowie die Teilhabe am öffentlichen Raum einschränken.
Ziel
Unser Ziel ist es, Defensive Architekturelemente systematisch zu erfassen und zu analysieren. Durch die Schaffung einer umfassenden Datenbank wollen wir die sozialen Auswirkungen dieser Elemente besser verstehen und gemeinsam Lösungen für eine inklusivere und einladendere Stadtgestaltung entwickeln.
Methodik
Die Plattform ermöglicht es Bürger*innen, Defensive Architektur zu dokumentieren, indem sie georeferenzierte Daten und qualitative Beschreibungen hochladen. Zudem können Standorte kommentiert und bewertet werden. Diese Informationen bieten ein detailliertes Bild der städtischen Umgebung und dienen als Grundlage für eine fundierte Analyse.
Beteiligung
Wir fördern die aktive Mitwirkung der Öffentlichkeit und bieten eine Plattform für den Austausch von Ideen und Vorschlägen. So können Bürger*innen gemeinsam an der Umgestaltung öffentlicher Räume mitwirken und alternative, sozial gerechtere Konzepte entwickeln.
Beispiele
Sitzmöglichkeiten
Defensive Sitzgelegenheiten verhindern durch Elemente wie Mittellehnen oder unbequeme Sitzblöcke das Liegen oder längere Verweilen im öffentlichen Raum.
Oberflächen
Besondere Oberflächenarchitektur, wie unebene Bodenbeläge, erschweren die Nutzung des öffentlichen Raums.
Absperrungen
Zäune oder Mauern dienen dazu, Bereiche abzutrennen oder den Zugang zu verhindern, temporär oder dauerhaft.
Überwachung
Elektronische Überwachung ersetzt zunehmend soziale Kontrolle, indem sie das Gefühl vermittelt, ständig beobachtet zu werden.
Leisten
Kanten werden oft so gestaltet, dass unerwünschte Aktivitäten wie Skateboarding verhindert werden, z.B. durch Metallspitzen oder abgerundete Vorsprünge. Diese Merkmale verhindern aber auch sitzen.
Licht + Ton
Helles Licht und akustische Maßnahmen wie laute Töne oder Musik werden genutzt, um unerwünschtes Verhalten zu verhindern.
Nicht-Ort
Das Fehlen von Sitzgelegenheiten und Toiletten kann verhindern, dass Menschen im öffentlichen Raum verweilen, besonders ältere Menschen und Personen mit Behinderungen.
Defensive Architektur in der Literatur
Hast du weitere Fragen?
Wer steckt hinter defensivearchitektur.org?
Linus Laube
Geograph (B.Sc.)Als Geograph bringt Linus das nötige Fachwissen mit, um sowohl die Kartierung als auch die theoretischen Grundlagen zu Obdach- und Wohnungslosigkeit im öffentlichen Raum voranzutreiben.
Jonas Matz
Sozialarbeiter (B.A.)Als Sozialarbeiter in der Obdach- und Wohnungslosenhilfe hat Jonas tiefgehende Einblicke in die Lebensrealität von Menschen, die besonders stark von defensiver Architektur betroffen sind.